Wissenschaftsgeschichte
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Prof. Dr. Nicolas Pethes (Bochum/ Köln): Epistemologie und Poetik des Ärztetagebuchs im 18. und 19. Jahrhundert.

Johann Georg Zimmermann und Adalbert Stifter.

24.04.2014 um 16:00 Uhr

Medizinische Praxis ist spätestens seit der frühen Neuzeit stets auch eine Praxis des Schreibens. Davon zeugen nicht nur die Fallgeschichtssammlungen in den einschlägigen Kompendien und Fachzeitschriften des 17. und 18. Jahrhunderts, sondern auch die zahlreichen Ärztetagebücher, die in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit der Wissenschaftsgeschichte erweckt haben und als eine materielle "paper technology" medizinischen Wissens erforscht werden. Die Dokumentation des ärztlichen Alltags sowie die unüberschaubare Menge an Einzeldaten, die diese Papiertechnologie generiert, ist aber auch von literaturtheoretischem Interesse: Galt das Tagebuch in der Literaturwissenschaft bislang als Textgattung einer empfindsamen Subjektivität und der Einzelfall als Erzählform von Individualität, so eröffnet die Geschichte des Ärztetagebuchs den Blick auf eine andere Tradition der Literaturgeschichte, die anstelle unerhörter Begebenheiten die Normalität des Alltags sowie anstelle geschlossener Erzählungen die Überforderung durch die Papier- und Datenfluten der Moderne ausgestaltet. Der Vortrag wird vor diesem Hintergrund das Tagebuchs des Berner Arztes Johann Georg Zimmermann aus der Mitte des 18. Jahrhunderts mit Adalbert Stifters "Die Mappe meines Urgroßvaters" aus der Mitte des 19. Jahrhundert vergleichen, um zu zeigen, auf welche Weise medizinische Schreibweisen und Medienpraktiken dazu dienen können, eine spezifische Poetik des literarischen Realismus auszudifferenzieren.

Wann: Donnerstag, 24.04.2014, 16-18 Uhr
Wo: Historicum, Raum 022


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